Wohl selten in der Nachkriegszeit haben sich innerhalb so kurzer Zeit so viele als gegeben angesehene Umstände verändert wie in den letzten zweieinhalb Jahren. Das stellt Immobilienkäufer, die eine langfristige Entscheidung mit großer finanzieller Bedeutung treffen wollen, vor besondere Herausforderungen.
In dieser Zeit der Umbrüche sollten daher auch länger gefasste Pläne noch einmal kritisch durchdacht werden. Flexibilität und ggf. ein Anpassen an die neue Realität kann vor Frust und Stress schützen.
Zinsfestschreibung und Fördermittel
Auch wenn die Zinsen innerhalb des letzten halben Jahres massiv gestiegen sind: Historisch gesehen sind sie sehr günstig, und bei einer Inflationsrate die mindestens doppelt so hoch liegt, sollte es im Normalfall weiterhin sinnvoll sein, eine lange Zinsfestschreibung zu wählen. Klammern Sie sich dabei bitte nicht an Zinssätze, die Sie gerade gesehen haben. Aktuell fahren die Zinsen Achterbahn und können innerhalb weniger Tage stark steigen oder fallen. Dabei sehen wir oft sogar gegenläufige Bewegungen: Während Institut A die Zinsen erhöht, sinken sie bei Institut B.
Auch öffentliche Mittel sollten Sie unter Vorbehalt einplanen. Zu oft gab es in den letzten Monaten Überraschungen etwa bei KfW-Mitteln. Da waren auf einmal die Töpfe leer oder ganze Programme wurden gestrichen. Noch mehr als sonst gilt also: Planen Sie mit Puffer, damit Sie nicht auf der Zielgeraden stranden.
Die immobilienpreise sind bisher nicht unter Druck geraten. Von regionalen und sektoralen Ausnahmen abgesehen, ist dabei auch in absehbarer Zeit keine Entspannung zu erwarten. Um bei den gestiegenen Finanzierungskosten dennoch den Wunsch von den eigenen vier Wänden umsetzen zu können, sollten die folgenden Fragen kein Tabu sein.
In welchem Bundesland soll die Immobilie liegen?
Immerhin reichen im Norden die Sätze der Grunderwerbesteuer von 4,5% in Hamburg über 5% in Niedersachsen bis zu 6,5% in Schleswig-Holstein. Gerade an einer Landesgrenze können ein paar Meter nach links oder rechts oder die andere Straßenseite also schnell viel ausmachen.
Bestands- oder Neubauimmobilie?
Für den Neubau sprechen der aktuelle technische Stand, die gute Wärmedämmung und die Gewährleistung (in Verbindung mit einem finanziell gesunden Anbieter). Wer beim Eigenheim mehr Platz zum Nachbarn sucht, findet allerdings im Bestand oft eher das Gewünschte. Hier ist dann ein kritischer Blick auf die Energieeffizienz und das Heizungssystem wichtig. Falls die Heizung absehbar erneuert werden muss, sollten Sie entsprechende Mehrkosten in Ihrem Budget einplanen. Die kompakte und günstige Gas-Zentralheizung der letzten Jahrzehnte wird in Kürze nicht mehr eingebaut werden dürfen. Erneuerbare Energien müssen dann beim Heizungstausch zumindest mit integriert werden. Bei Wohnungseigentümergemeinschaften sollte ggf. ein entsprechender finanzieller Puffer in den Rücklagen gebildet worden sein, um böse Überraschungen zu vermeiden. Gucken Sie kritisch in die Unterlagen.
Ein Vorteil des Neubaus ist auch, dass ein Großteil der Kosten feststeht und ein Fertigstellungstermin hoffentlich mit Sanktionen bei Verzögerung vertraglich fixiert ist. Somit ist die Kalkulationssicherheit recht gut. Beim Bestandsobjekt kommen zu den dort üblichen Überraschungen aktuell die Knappheit und Kosten von Material und Handwerkern hinzu. Beides kann viele Vorhaben schnell um Monate verzögern und die Kosten steigen lassen. Eine entsprechend vorsichtige Zeit- und Kostenplanung ist daher sehr wichtig.
Gleiches gilt bei Ausbauhäusern, viel Freundes-/Eigenleistung und anderen Modellen, bei denen Sie ein nicht bezugsfertiges Objekt erwerben.
Zentral, an der Peripherie oder auf dem Land?
Seit zwei Jahren ist für viele das Homeoffice ein möglicher Arbeitsplatz geworden. Die Notwendigkeit, nahe am Büro zu wohnen, ist damit oft gesunken. Wer nicht oder nur gelegentlich ins Büro pendeln muss, kann auch „weiter draußen“ sein Zelt aufschlagen. Gerade wenn dann der Platzbedarf durch ein oder zwei zusätzliche Arbeitszimmer höher ist, können die günstigeren Preise auf dem Land ein Argument sein.
Vergessen Sie dabei aber nicht, dass der Ausspruch der Immobilienmakler „Lage, Lage, Lage“ weiterhin seine Bedeutung behält: Auf dem Land wird oft ein zweites Auto benötigt. Kinder müssen in vielen Fällen zu Sport, Musikunterricht und anderen Aktivitäten sowie zu Freunden gefahren und wieder abgeholt werden. Dabei dürfte die individuelle Mobilität weiterhin teurer werden. Die Infrastuktur incl. der ärztlichen Versorgung ist üblicherweise weniger gut, und dies kann und wird in einer alternden Bevölkerung auch nicht besser werden. Bei der Immobilie eingesparte Kosten können so durchaus an anderer Stelle schnell wieder durch Mehrausgaben kompensiert werden.
Wenn Sie den Kauf von Eigentum planen, durchdenken Sie diese Punkte. Und falls Sie es noch nicht getan haben: Klären Sie, ob es in Ihrer Familie Menschen gibt, die Ihnen bei Ihren Plänen finanziell helfen können und wollen. Immerhin liegen weiterhin Unsummen auf Tagesgeldkonten & Co., wo sie aktuell nur an Wert verlieren. Da das in den nächsten Jahren selbst mit 1 oder 2% Guthabenzinsen nicht anders würde, ist vielleicht sogar jemand froh, wenn er einen Teil seines Geldes in Ihr Vorhaben investieren kann. Sprechen Sie also über Ihre Pläne – vielleicht tun sich dann ganz neue Möglichkeiten auf. Meinen Teil trage ich auch gern dazu bei.
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